Heiß, heißer, am heißesten, das sollte das Motto bei meiner Reise in die heiligen Orte Omkareshwar und Maheshwar sein.
Diese kleinen Orte am heiligen Fluss Narmada sollten mich mit ihren Temperaturen fast in den Wahnsinn treiben. Mindestens 40-45 Grad von morgens ab ca. 9 Uhr bis spät in den Abend hinein. Selbst in der Nacht zeigte das Thermometer noch weit über die 30 Grad an. Nur früh am Morgen zwischen 5 und 7 Uhr waren die Temperaturen mit 26-28 Grad erträglich. Dazu ist es furchtbar trocken und die 6-8 Liter Wasser die ich täglich trank entwichen gefühlt ohne auch nur einen Toilettengang.
Meine Reise von Jaipur nach Omkareshwar, dem heiligen Dorf, sollte perfekt werden. Es ging mit einem eher langsamen Zug am Nachmittag nach Indore, der nächstgelegenen größeren Stadt, los. Es gab viel Platz in meinem Sleeper-Abteil-das war schon überraschend. Wahrscheinlich überstieg die Zahl der Händler die der Passagiere bei Weitem. Sie verkaufen alles von billigem Plastikspielzeug über Ketten und Schlösser zum Sichern des Gepäcks, Schreibwaren, Zeitungen und… Kleine Buchhandlungen und Bauchläden mit jedem vorstellbarem Schnickschnack ziehen durch den Zug. Meine Favoriten sind wahrscheinlich die Verkäufer mit den köstlichen Snacks ob herzhaft, süß oder fruchtig, die bis zum Abend ohne Pause durch die Wagen ziehen.
Aber die Besten sind sowieso die vielen Chai-und Coffee-Wallahs. Da kann ich nicht genug davon bekommen. Die vielen Bettler kriechen durch die Waggons und fegen den Dreck von einer Ecke zur Anderen. Es ist immer viel los im normalen indischen Alltag. Erst in der Nacht kommen dann die Sleeper-Abteile zur Ruhe. Dank des strikten Rauchverbotes in Indien muss ich mittlerweile meinen Süchten auf den tollen Toiletten nachgehen. Nicht wirklich ein Genuss. Man sieht wirklich keine Menschen mehr an den Türen rauchen.
Irgendwann am Vormittag erreiche ich Indore und bevor ich mich umsehen kann, sitze ich schon in einem Bus nach Omkareshwar. Es geht ein paar Stunden mit dem Bus durch ausgetrocknete indische Landschaften. So bekam ich schon eine Idee wie heiß und trocken es werden sollte.
Omkareshwar ist einer von mehreren heiligen Orten mit Ghats an den Ufern eines heiligen Flusses. Es wird gerne das kleine Varanasi genannt. Ghats sind wichtige Plätze für die rituellen Waschungen der Hindus. Man findet sie in vielen indischen Orten an Fluss-und Seeufern. Hier in Zentralindien fließt der Narmada-Fluss in Richtung Westen bevor er ins Arabische Meer mündet. Er gilt als einer der heiligsten Flüsse Indiens. Inmitten des Flusses liegt eine om-förmige Insel, die das Zentrum von Omkareshwar bildet. Die Insel bzw. die Tempel und Ghats des Ortes ziehen das ganze Jahr über unzählige Pilger an.
Ich hatte mich schon vorher nach Gästehäusern erkundigt und meine Wahl sollte auf Manu‘s Guest House fallen. Vielleicht die Traveller-Adresse des Ortes. Manu betreibt das Haus schon seit 20 Jahren neben seiner kleinen Schneiderei. Das passte perfekt, ich suchte einen schönen Platz zum Wohnen und meine Kleidung hatte auch einige Näharbeiten nötig. Ein Anruf bei Manu und schon sollte ich ihn auf dem Marktplatz treffen und so ohne Probleme das kleine Familiengästehaus finden. Dieses liegt etwas versteckt auf der Insel und viele Treppen sollten erklommen werden. Dafür hat es fantastische Aussichten auf den heiligen Fluss mit seinen Ghats, den Ort und die Insel mit seinen Tempeln und den ganzen Pilgerströmen zu bieten.
Manu ist ein sehr entspannter Mensch, er arbeitet was nötig ist und weiß das Leben zu leben. Wir sollten uns gleich bestens verstehen. In den nächsten Tagen saßen wir oft zusammen ob im Haus oder in seiner kleinen Schneiderei am Markt auf dem Festland und ich lernte dabei viele interessante Menschen kennen. Wir besuchten seine Sadhu-Freunde in den Tempeln und kleinen Ashrams und ich lernte dabei die schöne Insel mit ihren unzähligen Tempeln noch besser kennen.
Ich sollte, bis auf meinen ersten Tag, der einzige Gast im Hause sein und fühlte mich wie ein Teil der Familie. Der kleine Ort hatte in dieser heißen Jahreszeit keine Touristen zu bieten. Manu sagte mir, das er in dieser Zeit des Jahres im Durchschnitt einen Gast pro Monat hat.
Dafür gibt es umso mehr Pilger auch in dieser heißen Jahreszeit. Diese strömen das ganze Jahr über in den kleinen Ort und die Bevölkerung vervielfacht sich. Man sieht den ganzen Tag Menschen ankommen, die in die Tempel und zu den Ghats gehen. Ein Kommen und Gehen ohne Ende. Viele Tausende sind es wahrscheinlich jeden Tag. An bestimmten heiligen Tagen sollen es dann um ein Vielfaches mehr sein, aber da möchte ich dann auch nicht hier sein. Gefühlt ist hier fast jedes Haus ein Tempel, Ashram oder Pilgerherberge.
Leider haben die Inder hier vor Jahren einen Staudamm gebaut. Nicht nur am heiligen Fluss nein auch noch direkt am heiligen Omkareshwar. Da steht dann doch die Stromgewinnung über den Göttern. Das kann man kaum glauben in Indien. Dieser Staudamm verschandelt leider das Bild des Ortes. Das Aussehen sollte verändert sein aber das spirituelle Flair ist geblieben.
Die Atmosphäre ist großartig in Omkareshwar. Alles ist sehr entspannt und die indische Hektik und der Lärm, das Chaos fehlen. Fast unglaublich da sich doch unzählige Menschen tagtäglich durch den kleinen Ort bewegen.
Religiöse Gesänge und Gebete sind den ganzen Tag überall zu hören. An jeder Ecke findet sich ein religiöser Platz und irgendeine Puja findet statt. An den Abenden ist Musik aus den Tempeln zu vernehmen und gelegentlich gibt es dort Konzerte.
Es gibt keine Straßen auf der Insel und somit auch keine Fahrzeuge. Somit fehlt der normale indische Verkehrs-Wahnsinn-einfach schön.
Es gibt einen ca. sieben km langen Pilgerweg der die Insel durchzieht. Auf seinem Weg passiert man einige der Badestellen, an denen die Pilger ihre rituellen Waschungen vornehmen. Man wäscht sich sozusagen von seinen Sünden frei. Hier liegen auch viele Boote am Ufer und die Pilger lassen sich auf den Fluss hinausfahren bzw. zum anderen Ufer.
Bei diesem Rundgang kommt man durch kleine Dörfer mit vielen neugierigen Menschen. Permanent habe ich eine Schar Kinder oder auch Pilger um mich herum.
Unzählige Tempel (neben hinduistischen auch jainistische), Tempelruinen, kleine Schreine, eine riesige Shiva-Statue, Ashrams und Pilgerherbergen liegen auf dem Weg und laden zu einem Besuch ein. Einige der Tempel bzw. Ruinen sind wunderschön und schon tausend Jahre alt. Vor allem der Siddhanatha-Tempel mit seinen prachtvollen Elefantenreliefs ist den Weg wert.
Neben den vielen Pilgern die trotz der Hitze sich über die Insel quälen und überall sind, kommt auch die Natur nicht zu kurz. Tolle Aussichten auf die Insel bzw. Flusslandschaft bieten sich. Man sieht viele Affen (Languren) die durch die Natur und die Tempel turnen und unzählige Vögel in den Bäumen.
Es finden sich viele kleine Chai-Shops auf dem Weg, die den Appetit und vor allem den Durst stillen. So verbringe ich meist mehr Zeit im Schatten mit einem kühlen Getränk und interessanten Begegnungen.
Ich sollte mehrere kleine Wanderungen während meiner Tage unternehmen und jedes Mal gab es etwas Neues zu entdecken.
Es ist natürlich toll in das Pilgergewühl der Insel einzutauchen. Seite an Seite mit den Pilgern von der alten Brücke zum Shri-Omkar-Mandhata-Tempel zuziehen, durch die kleinen Gassen und am Ende im höhlenartigen Tempel landen und sich einer Puja anschließen.
Dieser Shiva-Tempel ist der bedeutendste Tempel des Ortes. Er ist einer der zwölf wichtigsten Shiva-Tempel Indiens, in denen der Jyotirlingam verehrt wird. Die kleinen Gassen im gefühlten Inselherz sind voller bunter Läden die alle erdenklichen religiösen Dinge verkaufen.
An anderen Tagen habe ich mich einfach irgendwo niedergelassen und das fantastische Menschen-Kino genossen. Ob an den Ghats, vor den Tempeln oder dem kleinen Marktplatz. Man sieht die Gläubigen bei den verschiedensten religiösen Ritualen. Viele Sadhus sind hier vor Ort und rauchen den ganzen Tag ihre Shillums. Die Bettler sitzen entspannt herum. Alle Menschen sind irgendwie freundlich-neugierig, sie suchen oft einfach ein kurzes Gespräch keiner nervt oder will Geschäfte machen. Ich muss nicht um Preise feilschen wie so oft in Indien. Jeder grüßt hier jeden. Ja einfach ein toller Ort.
Eine Ausnahme aber eigentlich nur witzig. Man sollte mir gefälschte Bidis verkaufen. Zur Information: Das sind die billigsten indischen Zigaretten oder besser gesagt eine zigarettenähnliche Tabakware. Eigentlich ist es ein Blatt mit ein paar Krümeln Tabak und die kosten auch fast nix. Trotzdem hat man mir noch schlechtere Kopien verkauft-ich finde, die sind sowieso schlecht und ich hätte den Unterschied auch nicht bemerkt. Aber als ich Manu, meinem Gastgeber, eine Bidi angeboten habe, sagte er sofort nach dem ersten Zug: Das ist ein Duplikat, die musst du umtauschen! Ich dachte nur wer fälscht etwas so billiges. Da kostet die Packung nur Cent Beträge aber? Ich bin dann am nächsten Tag zum Shop und hatte die Bidis nur in der Hand und ohne etwas zu sagen bekam ich direkt die Originalen. Keine Diskussion über die schon halb aufgerauchten Falschen. Indien ist doch wie immer und überall verrückt.
Ich hätte hier noch länger verweilen können aber nach einer Woche zog es mich zum nächsten heiligen Ort. Vor allem die Gesellschaft von Manu und sein tolles kleines Gästehaus sollte ich vermissen. Vielleicht ist er kein so guter Schneider, wie ich feststellen durfte, aber ein perfekter Gastgeber.
Mein nächstes Ziel sollte Maheshwar sein.
Die kleine freundliche Stadt liegt ebenso am heiligen Narmada-Fluss. Sie ist deutlich größer als Omkareshwar und eigentlich eine typische indische Kleinstadt. Die farbenfrohen Straßen sprühen vor Leben. Unzählige kleine Shops und Straßenstände verkaufen alles Erdenkliche, viele Menschen, Kühe und Fahrzeuge jeglicher Art teilen sich die kleinen Straßen. Endlich mal wieder das normale indische Chaos. Es ist laut und dreckig und eng. Ich hatte z.B. „so sehr“ die dröhnenden Hupen-Attacken der motorisierten Inder vermisst.
Obwohl es doch eine, historisch gesehen, alte hinduistische Pilgerstadt ist, ist die Bevölkerung doch sehr gemischt. Neben den Hindus prägen auch viel Moslems das Stadtbild. Es sind daher neben den vielen Tempel auch einige Moscheen zu sehen.
Diese „Tempelstadt“ war lange Zeit von spiritueller Bedeutung und ihr Name bedeutet „Großer Gott“. Unter ihrem alten Namen Mahishmati findet sie schon in den zwei bekanntesten indischen Epen Mahabharata und Ramayana Erwähnung.
Die unzähligen Tempel, und die Ghats am heiligen Narmada ziehen nach wie vor viele Sadhus und Pilger an. Hier am Fluss spürt man das spirituelle Flair des Ortes. Die Menschen kommen zu den Ghats und Tempeln für ihre religiösen Rituale. Am Ufer legen Boote mit den Pilgern zu einer kleinen Insel ab. Hier im Fluss liegt eine winzige Insel mit dem Baneshwar-Tempel. Dieser Shiva-Tempel wird von den Locals als der Mittelpunkt des Universums angesehen.
Neben dem Fluss mit seinen Ghats und Tempeln zieht vor allem das Fort, das hoch über dem Fluss thront, mit seinem Palast und den Tempeln innerhalb des riesigen Festungswalls die Besucher an. Dieses zeugt noch heute von der ehemaligen Bedeutung der Kleinstadt. Kaiser Akbar ließ die imposante Festung erbauen. Die Holkar-Königin Ahilyabai ließ im 18 Jahrhundert, im goldenen Zeitalter der Stadt, den Maheshwar-Palast und mehrere wunderschöne Tempel der Anlage hinzufügen.
Von hier hat man schönste Aussichten auf den Fluss und dem Treiben am Ufer.
Ich genoss vor allem hier die größere Auswahl an Essen. Auf Dauer war in Omkareshwar die Auswahl doch sehr bescheiden. Obwohl Maheshwar nicht wirklich eine heilige Stadt ist, gibt es auch hier eine Bannmeile für Alkohol, aufgrund des heiligen Flusses. Ich wollte nach einer Woche Omkareshwar gerne mal wieder ein Bier trinken. Aber im Umkreis von fünf Kilometern zum Fluss waren keine Wein-Shops erlaubt. So sollte ich mich bis Delhi gedulden. Leider sollte ich hier keine Unterkunft finden in der ich mich so richtig heimisch fühlte und nach drei Tagen ging meine Reise weiter.